Presse
Die Änderungen im aktualisierten Entwurf des Gesetzes sind wesentlich zu kurz gegriffen und räumen die Gefahr, die von ihm ausgeht, explizit nicht aus. Wer unsere detaillierte, juristisch analy sierende Kritik der vergangenen Monate ernst nimmt, erkennt, dass sich am repressiven Grundcharakter des geplanten Ordnungsrechts nichts geändert hat. Es zerstört die Universität als politischen Raum endgültig.
Der offene Brief der Berliner Studierendenschaften gegen die Wiedereinführung des Ordnungsrechts
https://www.refrat.de/article/Offener-Brief-Ordnungsrecht.html
[Hier klicken für den offenen Brief im PDF Format]
Sehr geehrter Herr Hopp,
Sehr geehrter Herr Schulze,
Sehr geehrte Frau Neugebauer,
Sehr geehrter Herr Grasse,
Sehr geehrte Mitglieder des Wissenschaftsausschusses,
Sehr geehrte Mitglieder des Abgeordnetenhauses,
wir begrüßen zunächst, dass der Wissenschaftsausschuss die Bereitschaft gezeigt hat, sich im Gegensatz zum Berliner Senat in angemessener Ausführlichkeit mit der Wiedereinführung des Ordnungsrechts auseinanderzusetzen. Gleichzeitig stellen wir enttäuscht fest, dass unser heftiger grundsätzlicher Protest gegen dieses Gesetzvorhaben [1] kein ernsthaftes Gehör gefunden hat.
Die Koalitionsfraktionen haben nun einen finalisierten Gesetzentwurf zur Beschlussfassung in der Wissenschaftsausschuss- und Plenarsitzung vorgelegt, der trotz Einschränkungen die Gefahren fortschreibt, vor denen die Studierendenschaften gemeinsam mit vielen anderen Hochschulmitgliedern von Anfang an gewarnt haben. Der Gesetzentwurf öffnet nach wie vor einer Gesinnungskontrolle und politischen Sanktionierungen von Studierenden Tür und Tor. Darüber hinaus wurde er in derselben Woche eingebracht, in der Versuche der Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) öffentlich wurden, kritischen Wissenschaftler*innen Fördermittel zu entziehen [2]. Er steht damit im Kontext von Kompetenzüberschreitungen und Angriffen auf die Freiheit von Wissenschaft und Lehre, die klar machen, was CDU-Hardliner mit diesem Gesetzvorhaben nach wie vor beabsichtigen.
Die Änderungen im aktualisierten Entwurf des Gesetzes sind wesentlich zu kurz gegriffen und räumen die Gefahr, die von ihm ausgeht, explizit nicht aus. Wer unsere detaillierte, juristisch analysierende Kritik ernst nimmt, erkennt, dass sich am repressiven Grundcharakter des geplanten Ordnungsrechts nichts geändert hat [3].
Besonders die definierten Ordnungsverstöße bleiben gefährlich vage: Die Einschränkung von Satz 1 Nummer 1 auf „körperliche Gewalt“ ist dahingehend hinfällig, dass auch Sitzblockaden und ähnliche Aktionen in aktueller Rechtsprechung wiederholt als körperliche Gewalt gewertet werden. Es ist so weiterhin möglich, friedlichen studentischen Protest mit dem neuen Hochschulgesetz zu ahnden. Dass die Wissenschaftssenatorin ihre Rechtsauffassung zu dem – auch in der Ausschusssitzung sehr kontrovers diskutierten – Gewaltbegriff des Gesetzentwurfes nicht etwa mit einem Gutachten ihrer Rechtsabteilung, sondern mal eben mit einer schnellen Google-Recherche begründet (vgl. Wortprotokoll des Wissenschaftsausschusses vom 15.04. S. 39), stimmt in diesem Zusammenhang besonders nachdenklich: Ist das die juristische Expertise, die Sorgfalt, mit der in Berlin Gesetze gemacht werden? Schlagen CDU und SPD die dringenden Sorgen und den heftigen Protest der Berliner Studierenden so leichtfertig in den Wind?
Dass unklar bleibt, in welchem Verfahren Ordnungsmaßnahmen bis hin zur Zwangsexmatrikulation ausgesprochen werden können, ist ein Armutszeugnis. Die Koalition überlässt es den Hochschulen, diese komplexe Frage selbst zu klären. Dass sie diese Verantwortung abgibt, ist zwar angesichts der Unmöglichkeit, diesen grundrechtsinvasiven Prozess sinnvoll auszugestalten, nicht verwunderlich - das macht es aber nicht weniger verantwortungslos. So ist nicht ausgeschlossen, dass einzelne Hochschulen ihre Leitung mit der Exekutivmacht ausstatten, Studierende in Eigenregie auszuschließen - ohne jede Beteiligung eines Ordnungsgremiums.
Besonders eindrücklich bleibt uns die Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung vom 15.04.2024 im Gedächtnis, bei dem der Gesetzentwurf unter Einbeziehung verschiedener Expert*innen aus den Berliner Hochschulen ausführlich diskutiert wurde. Hier wurde deutlich, dass wir mit unseren Sorgen und unserem Protest nicht allein stehen: Die breite Mehrheit der Expert*innen teilen die Sorgen der Studierenden. Bezeichnend ist auch, dass kein*e einzige*r der Anzuhörenden Expert*innen aus den Universitäten die Wiedereinführung des Ordnungsrechtes als hilfreiche Maßnahme in der Bekämpfung und Prävention von antisemitischer und anderer diskriminierender Gewalt hervorhob. Im Gegenteil zeigte die Mehrheit der Anzuhörenden auf, inwiefern dieses Gesetz hierfür fundamental ungeeignet ist und verwiesen stattdessen auf die Notwendigkeit echter Präventionsmaßnahmen statt repressiver Law-and-Order-Politik.
Ihren Äußerungen zufolge, Herr Grasse, scheinen auch Sie selbst gar nicht von der Wirksamkeit des Gesetzes überzeugt zu sein. Schließlich lautete ihre eindringlichste Begründung für die Notwendigkeit des Gesetzentwurfes im Wissenschaftsausschuss vom 15.04.: „Wir können ja nicht nichts machen“ (Wortprotokoll S.20).
Es mutet nahezu albern an und macht uns fassungslos, dass die große Koalition dennoch nicht von diesem gefährlichen Irrweg abzuweichen scheint. Das wird der Ernsthaftigkeit des Themas nicht gerecht. Denn Sie können stattdessen ja tatsächlich etwas gegen Diskriminierung und Gewalt tun - die sehr konkreten Vorschläge einiger Anzuhörenden scheinen Sie aber nicht ernst zu nehmen.
Stattdessen wird die geplante Novelle des Ordnungsrechts direkt dazu führen, dass Betroffene von Gewalt und Machtmissbrauch entmutigt werden, Hilfe einzufordern und Täter*innen zu melden. Denn die Betroffenen selbst müssen fortan fürchten, unter dem Vorwurf der Verleumdung oder Beleidigung der Täter*in mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen sanktioniert zu werden. Die Änderungen in Satz 1 Nummer 3 sind nicht geeignet, dies zu verhindern. Die Frage, was ein erheblicher Schaden für die Hochschule sein soll, wird vollkommen offengelassen: Auch das Öffentlichmachen der Tatsache, dass sich an einer Hochschule über Dekaden ein übergriffiger Dozent frei betätigen konnte, kann einer Hochschule erheblich schaden. Wir müssen dies in aller Deutlichkeit sagen: An jedem Fall eines übergriffigen Dozierenden, der statt mit Konsequenzen für den Täter mit Ordnungsmaßnahmen gegen solidarischen Protest beantwortet wird, machen sich diejenigen von ihnen, die für diesen Gesetzentwurf stimmen, mitschuldig.
Enttäuschend ist auch, dass der Änderungsantrag es gar nicht erst versucht, sich mit unserer Kritik an den Eingriffen in die informationelle Selbstbestimmung auseinanderzusetzen. Der Gesetzentwurf führt auch in geänderter Form weiterhin dazu, dass sensible Daten aller involvierter Studierender verarbeitet werden - auch die Daten der Opfer aus Ermittlungsakten. Das ist das Gegenteil von Betroffenenschutz.
Wenn auch einzelne Änderungen das Gesetzvorhaben entschärfen, bleibt der Großteil der Änderungen kosmetisch. Dieses Gesetz bietet keinen Schutz, birgt die reelle Gefahr einer weiteren autoritären Diskursverschiebung und kriminalisiert studentischen Protest und studentische Teilhabe. Wir fordern sie inständig dazu auf, dieses Gesetz abzulehnen.
Unterzeichnende Studierendenschaften
AStA Berliner Hochschule für Technik (BHT)
AStA Freie Universität Berlin (FU)
RefRat (gesetzl. AStA) Humboldt-Universität zu Berlin (HU)
AStA Technische Universität Berlin (TU)
Weitere externe Mitunterzeichnende:
freier zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) e.V.
TV Stud Berlin
ver.di (Bezirk Berlin / Fachbereich C)
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) BERLIN
DGB Hochschulgruppe Berlin
Hochschulgruppe Campusgrün FU Berlin
GRÜNE JUGEND Berlin
Linksjugend ['solid] Berlin
Internationaler Jugendverein Berlin
Studierendenkollektiv Berlin
[Deine/ ihre Institution möchte auch mitunterzeichnen? Schreibt eine Mail an hopo@refrat.hu-berlin.de]
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[1] https://lak-berlin.de/node/1015
[2] https://daserste.ndr.de/panorama/Als-Reaktion-auf-Kritik-Bildungsministerium-wollte-Foerdermittel-streichen-,watzinger102.html
[3] https://www.refrat.de/docs/hopo/LAK_Statement_zur_17_BerlHG_Novelle.pdf
Zunächst möchten wir die Dringlichkeit einer BAföG-Reform unterstreichen. Die Folgen steigender Lebenshaltungskosten, eine grundlegend hohe psychische Belastung von Studierenden [2], die durch multiple Krisen zusätzlich herausgefordert wird, sowie die unmittelbare Kopplung der derzeitigen Ausbildungsförderung an spezifische (Studien-)Leistungen sind für uns nicht tragbar und erfordern ein unmittelbares Handeln seitens der Regierungsparteien.
Der vorliegende Referentenentwurf leistet diese notwendige radikale Veränderung der Situation von Studierenden jedoch nicht und bleibt sogar hinter den im Koalitionsvertrag vereinbarten Besserungen weit zurück. Wir schließen uns dem freien zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) e.V. in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf inhaltlich an.
Der Referentenentwurf sieht unter anderem eine "Starthilfe" von 1.000 Euro als einmaligen Zuschuss für bedürftige Studierende, die Dynamisierung der Finanzierungsperiode um ein "Flexibilitätssemester", eine Ausweitung des Fachwechsels bei Beibehaltung der Förderung vom vierten zum fünften Semester, die Erhöhung der Zuschüsse für die Kranken- und Pflegeversicherung, sowie eine Anpassung des Freibetrags an die Minijobgrenze und geringfügige Erhöhungen der familiären Freibeträge vor.
Dies sind kleine Schritte in die richtige Richtung, welche den Folgen der steigenden Lebenshaltungskosten, dem ständigen psychischen Druck und der sozialen Ungleichheit im Bildungssystem jedoch kaum entgegenwirken. Der BAföG-Höchstatz liegt für Studierende unter 25 Jahren, die nicht bei ihren Eltern leben aktuell bei 812€ [4]. Werden 250€ Kindergeld addiert haben die prekaristiertesten Studierenden etwa 1060€ im Monat zur Verfügung. Mit diesem Einkommen gilt man in Deutschland als Armutsgefährdet. Etwa 410€ geben Studierende im Schnitt für Miete aus [5]. Die übrigen 650€ müssen für Internet, Lebensmittel, Studiengebühren und die Anschaffung von Studienmitteln wie Laptops und Bücher reichen. In Zeiten von steigenden Lebensmittelpreisen, steigenden Mieten und Strompreisen ist diese Summe unzureichend. Insbesondere in Städten mit hohen Mietpreisen ist der Wohnbedarf von 360€ viel zu niedrig bemessen. Hinzu kommt eine hohe Studienbelastung, denn BAföG erhält bisher nur, wer in Regelstudienzeit von 6 Semestern das Bachelorstudium abschließt. Hohe finanzielle Belastungen und eine hohe Studienbelastung wirken sich entscheidend auf das psychische Wohlbefinden der Studierenden aus. Hinzu kommt die Belastung durch politische Krisen und Kriege: Jede*r dritte Studierende ist 2023 Burnout gefährdet und 68% der Studierenden waren 2022 durch Stress erschöpft, Tendenz deutlich steigend [2].
Wer das Bundesausbildungsförderungsgesetzes novellieren möchte, sollte hier ansetzen, den Stress von Studierenden reduzieren und das BAföG an die gestiegenden Lebenshaltungskosten anpassen um die soziale Ungleichheit in der Hochschulbildung nicht weiter zu verschärfen. Die unzureichenden Maßnahmen des vorliegenden Referentenentwurfs sind eine Absage an gute Studienbedingungen.
Wir fordern eine grundsätzliche Abschaffung der zeitlichen Befristung der Auszahlung während des Studiums, mindestens aber muss eine BAföG-Reform die Förderhöchstdauer deutlich erhöhen. Die Einführung eines Flexibilitätssemesters reicht nicht aus, um die multiplen Krisen und die psychische Belastung während des Studiums entscheidend zu verringern. Mit einer Förderhöchstdauer von 7 Semestern kommen nichtmal die Hälfte der Universitätsstudierenden aus. Der Median der Gesamtstudiendauer lag bereits 2020 an den Universitäten bei knapp 8 Semestern [6].
Die neu eingeführte Studienstarthilfe von 1000 Euro ist an Bedingungen geknüpft, die von besonders benachteiligten sozialen Gruppen häufig nicht erfüllt werden können: Hier ist zum einen das Höchstalter von 25 Jahren der Starthilfe zu bemängeln, die starre Begrenzung des Kreises der Bezugsberechtigten auf Leistungsbezieher*innen und der viel zu klein bemessene Beantragungszeitraum von 2 Monaten. Der aktuelle Entwurf unternimmt keine Schritte in Richtung einer familienunabhängigen Förderung. Tatsächlich lassen die geringfügigen Erhöhungen der familiären Freibeträge keinerlei Ambitionen erkennen den Kreis der Bezugsberechtigten substantiell zu erhöhen, obwohl dies aufgrund der über viele Jahre rückläufigen Gefördetenzahlen dringend geboten wäre. Der größte Kritikpunkt am Referentenentwurf ist für uns jedoch die fehlende Anhebung der Bedarfssätze und der Wohnkostenpauschale. Es ist völlig unverständlich warum lediglich 66 Millionen Euro, statt der vom Haushaltsausschuss genehmigten 150 Millionen Euro aufgewendet werden sollen, wenn die Verbesserungen für benachteiligte Studierende so marginal ausfallen.
Studierende warten seit vielen Jahren auf eine BAföG-Reform, die ihren Namen verdient. Vielfach wurden Forderungen formuliert, wie etwa dass die über Jahre stark zurückgegangene Gefördertenquote wieder deutlich erhöht wird, die Bedarfssätze angehoben, und die zahlreichen Ausschlüsse des Berechtigtenkreises aufgrund von Alter, vorangegangenen Abschlüssen und Aufenthaltsstatus aufgehoben werden [7].
Gemessen an den formulierten Erwartungen ist der Referentenentwurf eine herbe Enttäuschung. Selbst die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele wie die Absenkung des Darlehensanteils und die Anhebung der BAföG-Bedarfssätze - sowie des BAföG-Wohnbedarfs werden durch den Entwurf nicht addessiert.
Wir fordern eine echte Kehrtwende in der BAföG-Politik, die den Lebensbedingungen von Studierenden gerecht wird. Noch sind Änderungen am Gesetzesentwurf möglich. Wir appellieren an die politischen Verantwortungsträger*innen ihrer Verantwortung nachzukommen und die Bildungsmöglichkeiten für alle Studierenden zu verbessern. Diese ist fundamentale Voraussetzung für tatsächlich bestehende und erfahrbare Bildungsgerechtigkeit - der sich gerade auch die Regierungskoalition verpflichtet fühlen sollte.
[1] https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/downloads/files/29-bafoegaendg-referentenentwurf.html
[2] https://www.tk.de/presse/themen/praevention/gesundheitsstudien/tk-gesundheitsreport-2023-2149876
[3] https://www.fzs.de/wp-content/uploads/2024/01/Stellungnahme_29BAfoeGAendG_fzs.pdf
[4] https://www.studierendenwerke.de/themen/studienfinanzierung/bafoeg/voraussetzungen-fuer-bafoeg
[5] https://www.bmbf.de/SharedDocs/Publikationen/de/bmbf/4/31790_22_Sozialerhebung_2021.pdf?__blob=publicationFile&v=9
[6] Autori:nnengruppe Bildungsberichterstattung (2022): Bildung in Deutschland 2022. 2011f.
[7] https://bafoeg50.de/petition/
We are stunned by the fact that we, as the state student conference, were only given 4 working days during the examination phase to comment on this. Our application for an extension of this deadline was rejected by the Senate administration. This gives the impression that an attempt has been made to deliberately exclude us students from the process. We criticise the extent to which authoritarian policies are being pursued here under the pretext of protecting marginalised students. Not only does this procedure reveal a clear democratic deficit on the part of the Berlin Senate, but the content of the bill itself must also be rejected.
We have made this clear in our statement to the Senate Department for Science, which we have published on this site.
Missing the target: gateway for the right to regulate opinions
"With this draft bill, the SPD and CDU not only want to reintroduce the old disciplinary law from before 2021. The very far-reaching and vague draft, which was introduced in a fast-track procedure, will massively restrict any political participation of Berlin students in the future. In its repressive content, it goes far beyond the old disciplinary law from 2021.” says Ali Mehrens (Teaching and Studies Officer - HU). The proposed law is - despite repeated assurances to the contrary by the Senator for Science - a gateway to a right to regulate behaviour. It should be emphasised that all of the proposed regulatory measures have a repressive effect. Students whose funding or residence status depends on enrolment are particularly affected by the consequences.
"It is becoming clear that the Senate's motivation is primarily to present itself to the public as a particularly tough government and not the absolutely necessary protection of marginalised students," explains Gabriel Tiedje (Higher Education Policy Officer - TU).
Planned BerlHG amendment: Technical shortcomings and rushed procedure
The proposed bill violates several constitutional principles and introduces a special criminal justice system at universities. It has serious technical deficiencies - the main ones being the lack of procedural regulations and an undefined, overly broad definition of violence. At no point is the proposed law suitable for achieving its justified purpose - ensuring a safe space for students free from discrimination and violence.
Regulatory measures - in particular compulsory exmatriculation - represent a serious encroachment on (fundamental) rights. This is particularly the case as the offences presented are so broad that any political action by students could be affected - from disrupting events to putting up posters and making public statements about lecturers, everything could be covered.
"It is all the more scandalous that we, as the Landesastenkonferenz (LAK), the central representative body of Berlin's student bodies, barely had time to take a stand on the 17th BerlHG amendment. This shows what value the Berlin government places on democratic processes and the opinions of students," adds Luca Schenk (Higher Education Policy Officer - HU) in conclusion.
The draft law must be urgently rejected for all the reasons mentioned. We call on Berlin students to inform themselves and fight together with us against this repressive proposal!
- the Berlin Student Conference -
Wir sind fassungslos darüber, dass uns als Landesastenkonferenz lediglich 4 Werktage in der Prüfungsphase eingeräumt wurden, um hierzu Stellung zu beziehen. Unser Antrag auf eine Verlängerung dieser Frist wurde von der Senatsverwaltung abgelehnt. Es entsteht der Eindruck, als sei versucht worden, uns Studierende vorsätzlich aus dem Prozess auszuschließen. Wir kritisieren, in welchem Ausmaß hier unter dem Vorwand des Schutzes marginalisierter Studierender autoritäre Politik gemacht wird. Nicht nur offenbart dieses Verfahren ein klares Demokratiedefizit des Berliner Senats, auch der Gesetzentwurf selbst ist inhaltlich abzulehnen. Dies haben wir in unserer Stellungnahme gegenüber der Senatsverwaltung für Wissenschaft deutlich gemacht, die wir nachfolgend veröffentlichen.
Verfehltes Ziel: Einfallstor für das Gesinnungsordnungsrecht
„SPD und CDU wollen mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf nicht nur das alte Ordnungsrecht von vor 2021 wieder einführen. Der im Eilverfahren eingebrachte, sehr weitreichende und vage Entwurf wird jegliche politische Teilhabe der Berliner Studierenden zukünftig massivst einschränken. Er geht dabei in seinem repressiven Gehalt weit über das alte Ordnungsrecht von 2021 hinaus. “ sagt Ali Mehrens (Referent für Lehre und Studium - HU). Der Gesetzesvorschlag ist - trotz wiederholter gegenteiliger Beteuerungen der Wissenschaftssenatorin - ein Einfallstor für ein Gesinnungsordnungsrecht. Dabei ist zu betonen, dass alle der vorgeschlagenen Ordnungsmaßnahmen repressiv wirken. Studierende, deren Finanzierung oder Aufenthaltsstatus von der Immatrikulation abhängt, sind von den Auswirkungen besonders betroffen.
"Es wird deutlich, dass die Motivation des Senats in erster Linie eine öffentlichkeitswirksame Selbstinszenierung als besonders hart durchgreifende Regierung ist und nicht der unbedingt notwendige Schutz marginalisierter Studierender." führt Gabriel Tiedje (Referent für Hochschulpolitik - TU) weiter aus.
Geplante BerlHG Novelle: Handwerkliche Mängel und übereiltes Verfahren
Der vorgelegte Gesetzesentwurf verletzt mehrere Verfassungsgrundsätze und führt an den Universitäten eine Sonderstrafjustiz ein. Er weist gravierende handwerkliche Mängel auf – zentral zu nennen sind hierbei vor allem fehlende Verfahrensvorschriften und ein unbestimmter, ausufernder Gewaltbegriff. Der Gesetzesvorschlag ist an keiner Stelle geeignet, den begründeten Zweck - die Sicherstellung eines sicheren Raumes für Studierende frei von Diskriminierung und Gewalt - zu erreichen.
Ordnungsrechtliche Maßnahmen – insbesondere Zwangsexmatrikulationen – stellen einen schweren (Grundrechts-)Eingriff dar. Das ist insbesondere der Fall, da die vorgelegten Tatbestände so weit sind, dass jegliche politische Aktionen von Studierenden betroffen sein können – von Veranstaltungsstörungen, über das Aufhängen von Plakaten bis zu öffentlichen Äußerungen über Dozierende könnte alles erfasst sein.
„Umso skandalöser ist es, dass wir als Landesastenkonferenz (LAK), der zentralen Interessensvertretung der Berliner Studierendenschaften, kaum Zeit hatten, um zur 17. BerlHG Novelle Stellung zu beziehen. Hier zeigt sich, welchen Wert die Berliner Regierung auf demokratische Prozesse und die Meinung der Studierenden legt.“ ergänzt Luca Schenk (Referent für Hochschulpolitik - HU) abschließend.
Der Gesetzentwurf ist aus allen genannten Gründen dringend abzulehnen. Wir rufen die Berliner Studierenden auf, sich zu informieren und gemeinsam mit uns gegen diesen repressiven Vorschlag zu kämpfen!
- die Landesastenkonferenz Berlin -
Die Stellungnahme der LAK zur Vorgelegten BerlHG Novelle des Berliner Senats findet ihr hier.
Während wir auf die Veröffentlichung des entgültigen Entwurfes warten, erschüttern uns die Aussagen der Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) in der heutigen Landespressekonferenz zutiefst. Unsere Warnungen haben offensichtlich kein Gehör gefunden: Nach wie vor ermöglicht das Gesetzvorhaben des Schwarz-roten Senats die Sanktionierung politischer Aktionen wie Hörsaalbesetzungen mit einer Zwangsexmatrikulation. Der Berliner Senat stattet damit die Hochschulen mit Repressionsmitteln aus, die fundamental studentischen Protest bedrohen - von der Hörsaalbesetzung bis zum Bildungsstreik. Als Interessensvertretung der knapp 40.000 HU Studierenden sind wir nicht bereit uns auf die leeren Versprechungen der Wissenschaftssenatorin zu verlassen, dass das Gesetz ja nicht das Ziel habe sich negativ auf studentischen Protest auszuwirken. Ein Blick ins Gesetz zeigt, dass genau hierfür die Rechtsgrundlage geschaffen wird. In der heutigen Pressekonferenz ist klar geworden, dass der Berliner Senat von seinem ursprünglichen Gesetzentwurf nicht nennenswert abgewichen ist. Wer demokratische Beteiligung einschränkt sollte auch zum Inhalt der eigenen Gesetzentwürfe stehen.
Vordergründig soll das Gesetzvorhaben dem Kampf gegen Antisemitismus dienen. In seiner Gesetzesbegründung bezieht sich der Senat stark auf den gewalttätigen Übergriff auf einen jüdischen Studierenden der Freien Universität. Die Feststellung der Senatorin in ihrer heutigen Pressekonferenz, dass eine solche Gesetzesnovelle diese konkrete Tat weder verhindert, noch zu einer Exmatrikulation des Täters geführt hätte, ist dabei zutiefst entlarvend. Ein weiteres mal wird deutlich, dass es sich bei der Wiedereinführung des Ordnungsrechts um die scheinheilige Symbolpolitik einer Koalition handelt, die sich als schnell und hart durchgreifende Regierung inszenieren will. Wir erwarten vom Gesetzgeber, dieses Vorhaben abzulehnen. Stattdessen hoffen wir, dass das Abgeordnetenhaus Diskriminierung und Gewalt an Hochschulen tatsächlich ernst nimmt und Maßnahmen in den Vordergrund stellt, die diese ernsthaft und effektiv bekämpfen, ohne studentischen Protest zu bedrohen. Wir erwarten weiter, dass das Abgeordnetenhaus der Großen Koalition nicht in ihrer schädlichen Argumentation auf den Leim geht, dass demokratische Kultur an Universitäten und Betroffenenschutz sich ausschließen würden. Denn wir wissen, dass Sie sich im Gegenteil fundamental bedingen.
Das Vertrauen der Berliner Studierendenschaften in diesen Berliner Senat ist damit schwer beschädigt. Wir erwarten vom Abgeordnetenhaus, die grundlegende Kritik der Studierenden ernst zu nehmen und die Wiedereinführung des Ordnungsrechts zu stoppen.