Silvio Gesell und Freiwirtschaftlehre

Im September 2003 fand in der Humboldt-Universität zu Berlin das Europeen Education Forum [EEF] statt. Dieses sollte sich inhaltlich gegen das Treffen der europäischen BildungsministerInnen, dass zur gleichen Zeit staatfand, richten.
Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde es von den VeranstalterInnen der Initiative "www.geldreform.de" ermöglicht, einen Stand zu betreiben. Diese Initiative agiert im Rahmen der an Silvio Gesell orientierten "Freiwirtschaftslehre"; die von antifaschistischer Seite als antisemitisch bezeichnet und von Rechtsextremen als "Querfrontprojekt" benutzt wird.
Die VeranstalterInnen des EEF wurden durch einen offenen Brief von verschiedenen Berliner AntifaschistInnen dazu aufgefordert, diesen Stand zu entfernen; entschieden sich aber dagegen und kündigten der Initiative "www.geldreform.de" gegeüber an, diese vor AntifaschistInnen zu schützen. Damit ermöglichten sie es Bekennenden Antisemiten auf einer sich als links verstehenden Veranstaltung sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Wir dokumentieren hier den auf verschiedenen Wegen publizierten offenen Brief Berliner AntifaschistInnen an die VeranstalterInnen des EEF; sowie einige Links -deren Inhalt wir nicht verantworten- zum Thema Silvio Gesell und Freiwirtschaftslehre. Wir sind bestürzt über das Verhalten der EEF-Organisation.
Die Aktivitäten dieser Gruppe wird das Referat für Antifaschismus weiter beobachten.

Dokumentation eines offenen Briefes an die VeranstalterInnen des Europeen Education Forum

AntifaschistInnen aus Berlin Liebe Leute vom EEF,

es ist euch gewiss bekannt, dass verschiedene AntifaschistInnen und andere Linksradikale große Probleme mit eurer Veranstaltung haben. Das aber will ich hierbei nicht ausdiskutieren. Es geht mir um einen ganz speziellen Fall, über den ich euch bitten würde sich zu äußern.

Ich schlenderte gerade mit eingen GenossInnen genervt über den Campus der Humboldt-Uni um einen Blick auf eure Veranstaltung zu erhalten. Es war, wie wir erwartet hatten: platt, antisemitisch etc.

Aber ein Stand erregte dann doch unsere Aufmerksmakeit im besonderen Masse. Geich am Eingang steht jemand von einer Initiative names "geldreform.de" und geht dort auch nicht weg. Diese Initiative gehört seit Jahren zu einem Netzwerk von QuerfrontaktivistInnen, die ihre politische Arbeit auch ohne Probleme bei Veranstaltungen der radikalen Rechten präsentieren. Es geht ihnen darum "den Zins" und "den Profit" zu bekämpfen, der ein System der Mächtigen aufrechterhalten soll, dass "den Mächtigen" die Möglichkeit gebe die Welt zu erpressen. Dies ist nicht nur Nonsense -weil eine Anaylse des Kapitalismus mit solchem moralischem Quatsch nix zu tun hat-, sondern auch das alte Topos der Mächtigen, die um des Profites alles tun und die "guten Menschen" ausbeuten würden. Die Texte der GeldreformerInnen spriessen über von antisemitischen Stereotypen und Anspielungen, der Guru Silvio Gesell, auf den sie sich berufen und der andere Guru Rudolph Bahro (beide sind nun schon tot) haben mit direkten Angriffe gegen "die jüdische Weltverschwörung" etc. nicht haus gehalten.

Diese Leute werden auf Linksradikalen Veranstaltungen schon seit Jahren konsequent hinausgeworfen. Wir fragen uns, ob ihr davon nichts wußtet, dass diese Leute kommen (wilde Stände sind nun ja nichts unbekanntes) oder ob ihr nichts von den Ideen der Leute wußtet (sie wissen sie gut versteckt an alle möglichen Gruppen zu verkaufen und die Plattheit eurer "Analysen" macht es ihnen einfach, sich als die euren MitstreiterInnen darzustellen). oder was sonst passiert ist. Wie dem auch sei. Jetzt wißt ihr es.

Wir würden euch hiermit höflich (!) bitten, diese Leute des Campus zu verweisen. Sollte dies in nächster Zeit nicht passiert sein oder die nächsten Tage über wieder vorkommen, so sehen wir uns aus antifaschistischem Interesse gezwungen, anders zu agieren.

Viel Spaß noch
AntifaschistInnen aus Berlin

Weitere Informationen

  • Volkmar Woelk: Tausche einen Karl Marx gegen einen Silvio Gesell? Oder: Ist der Zins an allem Schuld? Über eine "Freiwirtschaftslehre", Tauschringe und ihre Verbindungen zur extremen Rechten und zu Neuheiden - Eine (fast) unendliche Geschichte
  • Peter Bierl: "Schaffendes" und "raffendes" Kapital Die Tauschringe, die Lehre des Silvio Gesell und der Antisemitismus
  • Antifaschistische Informationen, Rechte Organisationen in Hamburg: Silvio Gesells Freiwirtschaftslehre
  • Thomas Schmidinger: Struktureller Antisemitismus und verkürzte Kapitalismuskritik - PDF
  • isis-Projektgruppe: Die gesellige Läuterung des Kapitalismus 20 Thesen zur Freiwirtschaft

    • geändert:25.04.12, 14:40